Der Krieg in der Ukraine erschüttert uns alle sehr. Unsere Gedanken sind in der Ukraine und bei allen Betroffenen dieses Krieges in Europa. Emotional lässt es sich kaum aushalten, dass in Europa autokratisch Grenzen verschoben werden sollen. Die unmittelbaren Auswirkungen werden wir alle spüren, nicht zuletzt durch steigende Energiekosten.
Hamburg, 02.03.2022 – Alle Unternehmen mit in der Ukraine tätigen Mitarbeitern sind zum unmittelbaren Handeln gezwungen. Was passiert mit den Menschen? Was passiert mit der Produktion? Auch die Lieferketten werden nach der Suezkanal-Problematik und Corona ein weiteres Mal einem empfindlichen Belastungstest unterzogen.
Die ersten Transportversicherer kündigen politische Risiken aus den Verträgen
Erste Transportversicherer haben nun Kündigungen für einige politische Risiken ausgesprochen. Es handelt sich hierbei insbesondere um drei mitversicherte Gefahrengruppen:
Die vorstehenden Gefahren sind grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen und wurden in Form von Klauseln (Kriegsklausel, Streik- und Aufruhrklausel, Beschlagnahmeklausel) in die meisten Transportversicherungsverträge wieder eingeschlossen.
Die Klauseln haben unabhängig von der Laufzeit des Versicherungsvertrages eigene Kündigungsfristen (i. d. R. 48 Stunden, für verfügte Lagerungen gibt es abweichende Fristen). Neu beginnende Transporte oder Lagerungen sind nach Ablauf der Kündigungsfrist gegen diese Gefahren nicht mehr versichert.
Mit der Kündigung der Klauseln erfolgt oftmals zeitgleich ein Angebot durch den Versicherer für den Wiedereinschluss der Klauseln, jedoch ohne die Staaten Ukraine, Russland oder Belarus.
Die vorstehende Beschreibung ist unverbindlich und allgemein gehalten, es gelten Ihre individuellen Vereinbarungen aus Ihrem Versicherungsvertrag.
Bei Fragen sprechen Sie uns an. Wir unterstützen Sie gern.
Der Westen reagiert auf den Krieg mit politischem beziehungsweise wirtschaftlichem Druck. Russland ist vom internationalen Zahlungsverkehr SWIFT weitestgehend ausgeschlossen. Zahlreiche neue Sanktionen sind außerdem erlassen.
Wie wirken sich nun die aktuellen Ereignisse auf Ihren Versicherungsschutz aus? Welche Auswirkungen sind in den einzelnen Sparten und Branchen zu berücksichtigen?
In der Sachversicherung stellt sich zunächst die Frage, ob ein Standort in der Ukraine direkt betroffen ist, etwa weil dort ein Teil der Produktion stattfindet. Hier ist zu prüfen, ob sich der Versicherungsschutz geographisch auf Schäden in der Ukraine bezieht. In vielen Bedingungswerken ist zumindest das Gebiet der Halbinsel Krim in der Ukraine nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Generell sind in den Versicherungsbedingungen Schäden ausgeschlossen, die unmittelbar oder mittelbar durch Krieg oder kriegsähnliche Handlungen in Friedens- oder Kriegszeiten entstehen. Dies betrifft auch Handlungen zur Verhinderung, Bekämpfung oder Abwehr eines tatsächlichen, bevorstehenden oder erwarteten Angriffs.
Weitere Auswirkungen: Durch den Krieg in der Ukraine wird es zudem zu Lieferausfällen kommen, weil Waren, die in der Ukraine produziert werden, nicht mehr geliefert werden. Reine Lieferverzögerungen sind allerdings in den Sachversicherungen nicht versichert. Voraussetzung ist immer ein versicherter Sachschaden.
In den Haftpflichtversicherungen müssen vereinbarte Sanktionsklauseln beachtet werden. Versicherungsschutz besteht im Regelfall nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen.
Dies gilt auch für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Vereinigten Staaten von Amerika, soweit dem nicht Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen.
In der Betriebshaftpflichtversicherung kann zudem der Terrorausschluss vereinbart sein.
In Bezug auf die Transportdeckung kann das Risiko "Krieg" im Rahmen von Kriegsklauseln mitversichert sein. Hierbei ist zu beachten, dass das Risiko "Krieg an Land" generell nicht versichert ist, sondern sich die Deckung auf See- und Lufttransporte (im Kriegsgebiet) beschränkt. Dieses Risiko kann allerdings von den Versicherern jederzeit mit einer Frist von 48 Stunden gekündigt werden, sofern keine individualvertraglichen Vereinbarungen etwas anderes vorsehen.
Zusätzlich besteht für die Versicherer bei laufenden Transportversicherungsverträgen jederzeit die Möglichkeit, eine Kündigung für Transporte oder Lagerungen von, nach oder in eine(r) Region, die sich im Kriegszustand oder kriegsähnlichen Zustand befindet, auszusprechen. Die Kündigungsfrist beträgt eine Woche, sofern keine individualvertraglichen Vereinbarungen etwas anderes vorsehen. Inwieweit diese Kündigungsmöglichkeiten der Versicherer in Anspruch genommen werden, ist derzeit nicht einschätzbar.
Wird mit dem Handel oder der Bereitstellung von Versicherungsschutz gegen etwaige Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos verstoßen, wäre der Versicherungsschutz insgesamt nichtig.
Auch die Bereitstellung von Versicherungsschutz für russische Käufer (z. B. Versendungen auf Basis des Incoterms CIF oder CIP) könnte sanktioniert werden. Wir kennen diese Thematik bereits in Bezug auf den Iran. Dann bestünde die Möglichkeit, die Lieferkonditionen sinnvoll anzupassen.
Durch den Ausschluss des internationalen Zahlungsverkehrs SWIFT wird ohnehin eine mögliche Schadenzahlung an einen russischen Empfänger nur sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich sein.
Weitere Auswirkungen: Uns ist bekannt, dass Terminals in ukrainischen Häfen bereits den Betrieb eingestellt haben. Die hierdurch entstehenden Verzögerungen und wiederum daraus resultierende Kosten stellen zunächst keinen versicherten Schaden dar. Physische Schäden an der Ware selbst sind gegebenenfalls im Rahmen der Kriegsklausel abgesichert. Wir empfehlen Ihnen, umgehend zu prüfen, ob sich derzeit Ware in der Ukraine befindet und dafür, sofern möglich, einen beschleunigten Weitertransport zu organisieren.
In der Directors & Officers-Versicherung ist im Regelfall eine Sanktionsklausel vereinbart. Danach besteht kein Versicherungsschutz soweit durch die betreffende Handlung anwendbare Regelungen, Gesetze oder Wirtschafts- oder Handelssanktionen verletzt werden.
Auch in der Cyber-Versicherung sind leider Ausschlüsse zu beachten. Nicht versichert sind in der Regel Schäden durch die Abschaltung von Telekommunikations- und Datennetzen durch staatliche Stellen oder Schäden, die von Krieg, Invasion, Feindeshandlungen, Feindseligkeiten oder kriegerischen Handlungen verursacht werden. Die von anderen Versicherungssparten bekannten Sanktionsklauseln finden ebenfalls Anwendung.
In diesem Zusammenhang wird zudem immer wieder über eine steigende Zahl von Cyber-Attacken gegen ukrainische Unternehmen, Behörden etc. berichtet und über die Möglichkeit, dass diese Attacken auch auf eine Vielzahl von IT-Systemen außerhalb der Ukraine übergreifen. Bislang haben sich diese Befürchtungen glücklicherweise nur in Einzelfällen bewahrheitet, doch das muss nicht so bleiben.
Dennoch empfehlen wir - angesichts der aktuellen Situation und auch generell: Schützen Sie aktiv Ihre IT-Infrastruktur. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter, indem Sie diese zum Beispiel vermehrt darauf hinweisen, auf "merkwürdige" Mails zu achten, deren Absender sie nicht kennen.
Bei internationalen Versicherungsprogrammen ist generell die Problematik der Sanktionsklauseln zu beachten, denn Zahlungen ins Land oder im Land können Sanktionen unterliegen. Bislang gibt es keine Stellungnahmen der Versicherer dazu, daher empfehlen wir hier eine individuelle Klärung mit dem betreffenden Versicherer.
Unsere Ausführungen können nur einen allgemeinen Überblick über die Versicherungssituation geben. Bitte sprechen Sie Ihren Kunden- oder Fachbetreuer direkt an, wenn Sie Fragen zu Ihrem konkreten Versicherungsschutz haben.
Empfehlungen zu unternehmerischem Verhalten lassen sich darüber hinaus kaum aussprechen. Sie werden selbst bereits alle wesentlichen ad-hoc-Maßnahmen getroffen haben, um zum Beispiel alternative Lieferketten zur Aufrechterhaltung Ihrer Produktion zu identifizieren.
Wünschen Sie eine Analyse Ihrer Lieferketten? Dann sprechen Sie uns gern an! Mit unserer Risikomanagementschwester SMR unterstützen wir Sie gerne im Rahmen einer Betriebsunterbrechungs-Analyse.
Die Gossler, Gobert & Wolters Gruppe (GGW Gruppe) ist einer der großen unabhängigen und inhabergeführten Industrieversicherungsmakler in Deutschland. Als Experte für integriertes Risiko- und Versicherungsmanagement betreuen die rund 290 Mitarbeiter der GGW Gruppe mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel, Gewerbe sowie den rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen. Deutschlandweit ist das Beratungshaus an neun Standorten vertreten und berät in Zusammenarbeit mit internationalen Netzwerken Kunden in über 60 Ländern.