Der Krieg in der Ukraine erschüttert uns alle sehr. Unsere Gedanken sind in der Ukraine und bei allen Betroffenen dieses Krieges in Europa. Emotional lässt es sich kaum aushalten, dass in Europa autokratisch Grenzen verschoben werden sollen.
Hamburg, 01.03.2022 – Die verabschiedeten Sanktionen haben fundamentale Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen von Unternehmen. Einen Überblick über mögliche Auswirkungen auf Ihre Versicherungen im Allgemeinen haben wir im Blogartikel (Krieg in der Ukraine - Was bedeutet das für Ihre Versicherungen?) veröffentlicht. Nachstehende Ausführungen beziehen sich speziell auf das Forderungsmanagement von Unternehmen und die Deckung einer Warenkreditversicherung.
+++ UPDATE 07.03. - UPDATE 07.03. - UPDATE 07.03. +++
Die eingangs beschriebene Situation ist vollkommen neu, die Entwicklung dynamisch und die Fragestellungen komplex.
Beispielhaft ein paar aktuelle Fragen wie folgt:
Die meisten Kreditversicherer haben zwischenzeitlich zumindest eine erste, generelle Position bezogen. Das Vorgehen der einzelnen Anbieter ist unterschiedlich, vereinfacht fassen wir zusammen, dass
hinsichtlich neuer Hermes-Deckung hat sich die Bundesregierung bereits sehr früh geäußert, keine neuen Absicherungen für Abnehmer in Russland zur Verfügung zu stellen.
Die Länderrisiken von Russland und Belarus wurden zumeist a) überprüft und b) auf die schwächste Bewertung gesetzt (Ukraine war zumeist bereits zuvor auf dieser Stufe).
Die Absicherung politischer Risiken wird von einigen Anbietern überprüft und neu ausgerichtet.
Wichtiger als die oben genannte Fragestellung eines Kreditlimits erscheinen uns jedoch folgende Aspekte:
1. Zahlungsbeschränkungen:
Viele russische Banken werden sanktioniert oder vom SWIFT-System getrennt, sodass die Bezahlung von Waren als gefahrenerhöhender Umstand interpretiert werden und - quasi nachträglich - zu fehlender Deckung führen. Kurzum: Der ordentliche Kaufmann würde im Wissen, dass die spätere Bezahlung allein aus diesen Gründen fraglich ist, vermutlich nicht liefern. Dieser Aspekt könnte im Schadenfall zur Nicht-Zahlung seitens des Versicherers führen.
2. Sanktionen:
Lieferungen, die gegen Sanktionen verstoßen, sind nicht versichert. Die jeweils geltenden Sanktionen gilt es insofern eng zu verfolgen. Dieser Aspekt könnte im Schadenfall ebenfalls zur Nicht-Zahlung seitens des Versicherers führen.
Wir empfehlen unseren Kunden, sehr gerne mit unserer Unterstützung, vor künftigen Lieferungen unbedingt eine Abstimmung mit dem Kreditversicherer vorzunehmen. Inhalt der Abstimmung sollten a) die Art der zu liefernden Waren und b) die vereinbarte Zahlungsmethode sein. Einige Anbieter haben jedoch bereits darauf hingewiesen, trotz Vorabstimmung vor Lieferung keine abschließend verbindliche Aussage zu Haftung und Deckung zu treffen. Eine abschließende, individuelle Prüfung/Aussage erfolgt insofern erst im Schadenfall, sodass für den Versicherungsnehmer/Lieferanten ein Restrisiko verbleibt.
Nur der Vollständigkeit halber unser Hinweis, dass auch neu zu leistende Anzahlungen an russische Unternehmen kritisch geprüft werden sollten und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht versichert sein dürften.
Fazit: Selbst wenn ein Limit zur Verfügung steht, ist die Deckung unter Vorbehalt.
Sollten offene Forderungen bestehen, kann zum jetzigen Zeitpunkt vielfach ebenfalls noch keine pauschale Aussage getroffen werden, ob diese gedeckt sind oder nicht. Sprechen Sie uns im konkreten Einzelfall an, wir nehmen dann gemeinsam das Gespräch mit dem Versicherer auf. Aus dem Markt hören wir, dass weiter Zahlungen russischer Unternehmen erfolgt sein sollen, was wir positiv bewerten. Wichtig für die Versicherungsnehmer ist, dass trotz der besonderen Umstände weiterhin alle Obliegenheiten erfüllt werden müssen. Auch hier bieten wir gerne unsere Unterstützung an.
Gerne geben wir noch eine Übersicht weiterer Abreden, die im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung von Relevanz sein können:
Vorab: Maßgeblich ist das jeweils vereinbarte Bedingungswerk, das es im Detail zu betrachten gilt.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass Forderungsausfälle aufgrund von kriegerischen Ereignissen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Einige Policen enthalten eine Vereinbarung, dass eine kriegerische Auseinandersetzung und dadurch begründete Forderungsausfälle zu einem allgemeinen Haftungsausschluss führen können, sofern dies aufgrund eines Krieges zwischen einem oder mehreren der fünf Großmächte (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China) eintritt. Diese Konstellation ist (noch) nicht gegeben, selbstverständlich hoffen wir alle auf das Beste.
Die Absicherung des politischen Risikos gilt, sofern im Vertrag vereinbart, grundsätzlich nur für Ausfälle außerhalb des Landes des Versicherungsnehmers und zielt in der Warenkreditversicherung auf mehrere Aspekte ab, die sich im Wesentlichen auf zwei Punkte beziehen:
In der aktuellen Situation könnte insbesondere der zweite Punkt in den kommenden Wochen in Bezug auf die Ukraine und Russland (Sanktionen) ein realistisches Szenario sein, das es zu beachten gilt.
Wichtig: Neben den Bedingungen des individuellen Vertrages gilt es, hier auch die Länderlisten und deren Bedingungen zu berücksichtigen.
Der Nichtzahlungstatbestand (und auch die Insolvenz) als Eintritt des Schadenfalls stehen erstmal für sich allein, müssen aber im Kontext mit den weiteren Regelungen des Versicherungsvertrages und der Versicherungsbedingungen gesehen werden. Dies verbunden mit der Fragestellung, was der kausale Auslöser des Versicherungsfalles ist und ob dieser dann gemäß der Police versichert wäre.
Kommt es zu einer Nichtzahlung Ihres Kunden aufgrund einer staatlichen Anordnung, muss geprüft werden, ob dieser Tatbestand im Rahmen des politischen Risikos inkludiert ist und zusätzlich nicht durch einen allgemeinen Haftungsausschluss ausgeschlossen ist.
Ist aufgrund der aktuellen Entwicklung eine Auslieferung nicht mehr möglich, stellt sich die Frage des Versicherungsschutzes aufgrund des Fabrikationsrisikos. Sollte nicht mehr geliefert werden dürfen oder eine Lieferung unmöglich sein, gehen wir vom Versicherungsschutz aus, sofern keine anderen Aspekte (wie zum Beispiel Sanktionsklauseln) dem entgegenstehen. Vom Versicherungsnehmer werden selbstverständlich schadenmindernde Aktivitäten (Verkauf an Dritte o. ä.) erwartet. Eine frühzeitige Abstimmung mit dem Versicherer zwecks Weisung halten wir für erforderlich.
Seit mehreren Jahren haben die Versicherer sogenannte Sanktionsklauseln in die Verträge aufgenommen, die besagen, dass Forderungsausfälle nur entschädigt werden, sofern mit der Warenlieferung oder Dienstleistung nicht gegen Sanktionen verstoßen wird. Hierbei müssen verschiedene Ebenen beachtet werden wie z. B. Länder-, Personen- oder Waren-/Dienstleistungssanktionen. Dies liegt in der Verantwortung des Versicherungsnehmers.
Sollte im Rahmen einer Schadenprüfung festgestellt werden, dass man mit dem unterlegten Geschäft gegen Sanktionen verstoßen hat, darf der Versicherer keine Entschädigung leisten.
Die Gossler, Gobert & Wolters Gruppe (GGW Gruppe) ist einer der großen unabhängigen und inhabergeführten Industrieversicherungsmakler in Deutschland. Als Experte für integriertes Risiko- und Versicherungsmanagement betreuen die rund 290 Mitarbeiter der GGW Gruppe mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel, Gewerbe sowie den rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen. Deutschlandweit ist das Beratungshaus an neun Standorten vertreten und berät in Zusammenarbeit mit internationalen Netzwerken Kunden in über 60 Ländern.